von Marco Pracht
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Reden zum Volkstrauertag 2024

Gedenkveranstaltung an der Panzertruppenschule zum Volkstrauertag 2024

Die Panzertruppenschule lädt zum Volkstrauertag traditionell seit 1961 zu einer Gedenkveranstaltung ein. Sie besteht seit vielen Jahren aus einem Informationsanteil am Freitagvormittag, bei dem hochrangige und kompetente Vortragende zu aktuellen Themen sprechen. Der Nachmittag wird individuell im Standort gestaltet. Für geladene Gäste gibt der Bürgermeister der Stadt Munster einen Empfang im Ollershoff, bevor am späten Nachmittag der Gesellschaftsabend im Kasino Kornett beginnt. Dieser wird durch die Tischrede eines Ehrengastes eröffnet, dem eine Serenade des Heeresmusikkorps Hannover vor dem Kasino folgt. Der Abend gehört ganz dem kameradschaftlichen Miteinander von ehemaligen und aktiven Soldaten. Hervorzuheben ist der Austausch zwischen den jungen Lehrgangsteilnehmern und den älteren Kameraden. Am folgenden Samstag beginnt das Gedenken in der Garnisonskirche mit einem ökumenischen Gottesdienst. Die Gedenkveranstaltung findet seit der Neugestaltung des Ehrenmals am Roßbacher Platz mit dem Heeresmusikkorps Hannover, der Truppenfahne und einem Ehrenzug, gestellt von Lehrgangsteilnehmern des Offizierlehrgangs 3, statt.

Es ist wichtiger denn je, in der freiheitlich demokratischen Gemeinschaft und Kameradschaft diesen Gedenktag zu erleben und in dem Bewusstsein zu begehen, dass wir auf der richtigen Seite stehen. Gedenken wir dem Vergangenen und den Opfern, seien wir uns der Gegenwart bewusst und schützen unsere Wertordnung, gestalten wir die Zukunft in Frieden, Freiheit und mit Sicherheit.

In diesem Jahr haben am Freitag General Markus Laubenthal, Chief of Staff SHAPE, aus strategischer Sicht und Brigadegeneral Lutz Kuhn, Kommandeur Panzerlehrbrigade 9, aus taktischer Sicht auf die aktuellen Herausforderungen und Folgerungen daraus geschaut.

Der Ehrengast und Tischredner des Abends war Herr Parlamentarischer Staatssekretär a.D., Dr. Peter Tauber. Er ist Oberstleutnant der Reserve, Historiker und seit kurzem Mitglied im Kuratorium Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge.

Im Folgenden sind die Reden von Dr. Tauber sowie den beiden jungen Offizieren des Offizierlehrgangs 3, Oberleutnant Rußmann und Leutnant (NDL) Oosterkamp abgedruckt, da sie weiteren jungen und älteren Kameraden, die nicht dabei sein konnten, gute Gedanken und Anstoß für Reflektion zum Volkstrauertag und das berufliche Selbstverständnis über das Jahr 2024 hinaus geben.

Munster im November 2024

Björn F. Schulz

Brigadegeneral, Kommandeur Panzertruppenschule

Wer steht künftig an den Gräbern?

Gedanken zum Volkstrauertag 2024.

Von Peter Tauber.

Wir ehren die Toten der Weltkriege. Es ist Volkstrauertag. Entstanden ist der Tag nach dem Ersten Weltkrieg, um dem Leiden, der Trauer, dem Verlust eine Form zu geben. Eine gemeinsame Form. Die Deutschen hatten den Krieg verloren und noch mehr. Jede Familie hatte einen Toten zu betrauern. Familien verloren ihre Heimat. Soldaten kehrten in ein Land zurück, dass nicht mehr das ihre war. Viele Gewissheiten waren zerstört.

Die Nationalsozialisten haben den Tod glorifiziert und am Ende war es das Einzige, was Sie den Deutschen zu geben hatten: Sterben, Leid und Tod. Noch in den letzten Tagen des Krieges fielen unzählige Soldaten. Eine Selbstmordwelle ging durchs Land: Menschen brachten sich um, weil sie wirklich glaubten, dass ein Deutschland ohne Hitler nicht lebenswert sei.

Die Gräber dieser Soldaten, die bis zuletzt kämpften, weil sie niemand von ihrem Eid entband, findet man nur, wenn man die Autobahn verlässt. Wer über die Friedhöfe fährt, der entdeckt nicht nur die Gedenktafeln der Toten auf den Friedhöfen, in den Rathäusern oder in den Vereinsheimen, sondern auch diese Gräber.

Nach dem Zweiten Weltkrieg waren Tod und Leid noch größer, monströser. Es war kaum Raum und oft keine Zeit, das Erfahrene zu artikulieren, zu verarbeiten. Bis heute ist unklar, was das mit der Seele unseres Volkes gemacht hat, was die Nazis den Deutschen angetan haben und wie es bis heute nachwirkt. Allerdings kam der Volkstrauertag zurück. Wieder standen einmal im Jahre Menschen beisammen, um ritualisiert der Toten zu gedenken. Das ist gut. Wir brauchen Rituale im Leben.

Mit den Jahren wurde die Zahl derjenigen, die einen der auf den oft ellenlangen Namenslisten der Gedenksteine aufgeführten Menschen kannten, immer geringer. Ich habe das selbst erlebt. In den 1990er Jahren standen noch Veteranen des Krieges mit auf dem Marktplatz meiner Heimatstadt.

Der Volkstrauertag wurde mehr und mehr zu einem Tag, der zum Frieden mahnt, der auch andere Opfer von Krieg und Gewalt miteinschließen wollte. Wen man heute den Reden lauscht, dann wird gefühlt jedem gedacht, dem Unrecht widerfuhr, der unter Krieg und Gewalt litt. Überall auf der Welt. Ist das der Sinn dieses Tages? Und hat es dazu geführt, dass wieder mehr Menschen an den Veranstaltungen teilnehmen. Wohl kaum.

Der Volkstrauertag muss sich neu erfinden, ohne sich zu vergessen

Ich bin Stadtverordnetenvorsteher in meiner Heimatstadt Gelnhausen. Da gehört es dazu, am Volks- trauertag an unserem Ehrenmal für die Toten der Weltkriege im Stadtgarten bei der Kranzniederlegung dabei zu sein. Aber machen wir uns nichts vor: Vielerorts ist dieses ritualisierte Gedenken schal geworden. Es nehmen die daran teil, die aufgrund eines Amtes oder einer Funktion als Kranzabordnung oder als Musikerin bzw. Musiker daran teilnehmen müssen. Vor kurzem trank ich mit meinem Bürger- meister Christian Litzinger einen Kaffee und wir sprachen darüber. Wir waren beide der Meinung, dass wir daran etwas ändern wollen und müssen.

Es soll hier nicht um neue Formen des Gedenkens gehen oder die Frage, welche Gruppen oder Schulklassen man aktiv am Volkstrauertag einbeziehen kann. Da gibt es schon viele gute Beispiele. Wenn wir eine lebendige Erinnerung an die Toten der Kriege, an die gefallenen Soldaten aber auch die toten unschuldigen Zivilistinnen und Zivilisten wollen, dann braucht es neue Formen, die traditionelle Elemente wie die Kranzniederlegung und das Lied „Ich hatt‘ einen Kameraden“ mit diesen verbinden.

Warum haben wir beim Kaffee festgestellt, das uns das Bedürfnis verbindet, die Erinnerung an die Toten lebendig zu halten und darüber zu sprechen, wie das gelingen kann? Wir haben uns dabei ertappt, dass wir über die vielen Namen, die dort am Ehrenmal stehen und auch über die Opfer des Nationalsozialismus, derer mit einer separaten Tafel am Ehrenmal allgemein gedacht wird, wenig bis nichts wissen. Betroffenheit – und darum geht es beim Erinnern – entsteht aber nur, wenn man mit einem Menschen und einer Sache vertraut ist.

Die jungen Männer, deren Namen auf dem Ehrenmal stehen, waren Söhne unserer Stadt. War unter ihnen ein neuer Philipp Reis oder gar ein künftiger berühmter Dichter wie Grimmelshausen? Welche Talente, welche Träume konnten sich nicht entfalten und Wirklichkeit werden, weil der Furor des Krieges ihr Leben nahm? Viele der Nachnamen sind typische Gelnhäuser Namen. Die Familien leben noch in unserer Stadt. Manche Familie wurde auch ausgelöscht und endete mit dem Kriegstoten, obwohl der Name in der Stadtgeschichte über Jahrhunderte verzeichnet war. Welch Tragik für das junge verlorene Leben und welch Verlust für unsere Gemeinschaft.

Das macht deutlich, dass wir heute noch darunter leiden, dass so viele in den Kriegen gefallen sind, auch wenn wir heute nicht mehr so unmittelbar trauern, wie das Angehörige und Freunde in den Jahren nach den Kriegen getan haben. Der Verlust für unser Land ist viel größer als uns das bewusst ist.

Es ist Zeit für ein neues Verständnis

Als Parlamentarischer Staatssekretär hatte ich 2019 die große Ehre, beim 75. Jahrestag der Operation Market Garden die Bundesrepublik Deutschland zu vertreten. Es war bewegend, im Gottesdienst neben britischen und amerikanischen Veteranen zu sitzen. Besonders im Gedächtnis geblieben ist mir aber das Ehrenspalier, dass junge Fallschirmjäger der damals gegeneinander kämpfenden Nationen für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Veranstaltung stellten. Was für ein Segen, dass es heute offensichtlich selbstverständlich ist, dass deutsche Fallschirmjäger dort neben ihren Kameradinnen und Kameraden standen.

Ich mache mir nichts vor. Vor allem die Toten des Zweiten Weltkrieges sind doppelt gestorben. Sie kämpften für ein Deutschland mit dem unsere heutige freiheitlich-demokratische Nation bezüglich der Werte, für die wir heute stehen, nichts aber auch gar nichts gemein hat. Und deswegen schauen manche sehr skeptisch, wenn man an ihr Sterben erinnert. Es wird damit unterstellt, dass man mit der Erinnerung an ihren Tod auch das Ziel des Kampfes erinnert oder gar wertschätzt. Das halte ich für falsch.

Die Toten des Ersten Weltkrieges hingegen sind vor über 100 Jahre gefallen. Der Zusammenbruch Deutschlands nach dem Nationalsozialismus war so fundamental, dass diese Zeit uns gefühlt noch fremder ist als es der Zeitablauf nahelegt. Und wenn wir uns die Gedenkkultur der Briten und Amerikaner exemplarisch vor Augen führen, dann wird dies noch deutlicher: Die Erinnerung an die Toten des Ersten Weltkriegs ist in Großbritannien bis heute lebendig. Im Gespräch mit US-Amerikanern erfährt man oft, dass sie wenig Verständnis für unsere Zurückhaltung haben, wenn es um ein würdiges Gedenken an die toten deutschen Soldaten der Weltkriege geht.

Offensichtlich spielt dort in der Gedenkkultur der Opfertod eines Soldaten eine singuläre Rolle, die wir hingegen nicht losgelöst vom politischen Kontext betrachten können. Das mag geschichtspolitisch nachvollziehbar sein. Ob es den Toten gerecht wird, das steht auf einem anderen Blatt. Hier können wir sicher etwas von unseren Freunden und Verbündeten, die allesamt unsere ehemaligen Kriegsgegner waren, lernen.

Gedenken an jüdisches Leben in Deutschland

Besonders beschämend war lange Zeit der Umgang mit den für Deutschland gefallenen jüdischen Soldaten. Vielleicht können sie, die wir heute wieder erinnern, eine Brücke sein, allen Toten gerecht zu werden. Wir müssen uns bewusst machen, dass Juden für Deutschland eintraten und später von diesem Deutschland verraten wurden. Das ist eine besondere Verantwortung heute, wenn es um den Volkstrauertag geht.

Darum darf uns weder der 7. Oktober und die Ereignisse in Israel unberührt lassen, noch die Geschehnisse in Amsterdam vor wenigen Tagen. Das Juden in der Heimatstadt von Anne Frank durch die Straßen gejagt werden, ist beschämend für Europa. Die Täter stehen außerhalb unserer Wertegemeinschaft und haben in Europa nichts verloren. Wer ihre Taten gut heißt, den wollen wir hier nicht in Deutschland. Ich sage das auch so klar, weil ich eine besondere Ehre erinnere, die mir zuteil wurde. Im Jahr 2020 zum Jahrestag der Befreiung von Auschwitz durfte ich als Staatssekretär mit der Luftwaffe einen besonderen Gast nach Deutschland fliegen. Naftali Fürst, Holocaust-Überlebender, sollte zu einer Ausstellungseröffnung nach Deutschland kommen. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel war bei der Eröffnung der Ausstellung dabei. Es ist schwer zu beschreiben, was das für besondere Momente waren. Naftali Fürst sprach gut deutsch. Wir unterhielten uns über die Ausstellung, über seine Familie. Er war gut gelaunt. Fast etwas aufgedreht, wenn man das über einen älteren Herrn sagen darf. Und dann sagte er auf einmal: „Was ist das für eine besondere Ehre, dass die Armee des Landes, das mich umbringen wollte, sich so eine große Mühe gibt, mich sicher und wohlbehütet nach Deutschland zu bringen und wieder nach Hause zurück.“ Welche Kraft liegt in der Versöhnung. Doch sie braucht neben Worten eben auch Taten.

Es braucht eine klare Botschaft und keinen Bauchladen an Schlagzeilen

Der Volkstrauertag muss eine klare Botschaft haben. Vielleicht liegt es auch daran, dass die allgemeine Erinnerung an die Opfer von Krieg und Gewalt zwar richtig, aber eben auch bisweilen unspezifisch daher- kommt. Und vielleicht könnte uns das Bewusstsein helfen, dass jede Nation Formen schafft, an die Toten des eigenen Volkes zu erinnern, ohne verursachtes und erfahrenes Leid anderer geringzuschätzen. Der deutsche Volkstrauertag ist nach wie vor dazu bestens geeignet. Er passt zu uns und unserer Geschichte. Ihm fehlt das heroische, das dem Gedenken in anderen Ländern durchaus bis heute anhaftet. Er war in seinem Ursprung eben ein Tag, der Raum schaffen sollte, sich der eigenen Verluste und Opfer bewusst zu werden. Nur wer das tut, der kann ein Gespür dafür entwickeln, wie andere empfinden.

Und vielleicht brauchen gerade wir Deutschen einen solchen Tag für uns, damit wir auch in Zukunft verstehen, was Polen, Juden und andere empfinden, wenn sie an ihre Toten vor allem während des Zweiten Weltkrieges und der Zeit des Nationalsozialismus denken. Vielleicht braucht gerade Deutschland einen Volkstrauertag, der einer zunehmend migrantisch geprägten Generation vermittelt, warum die beiden Weltkriege unser Land bis heute im Guten wie im Schlechten prägen. Heute können Julian und Murat in Gelnhausen in den Zug steigen und für ihr Studium nach Frankfurt fahren. Auch Karl Wilhelm Heilmann war ein junger Mann aus Gelnhausen. In meiner Heimatstadt geboren am 3. April 1922 fiel er im Alter von 22 Jahren am 16.10.1944 in Ostpreußen. Ganz sicher hätte er auch gerne studiert oder wäre in den Zug gestiegen, um die Welt zu entdecken. Mindestens die gemeinsame Heimatstadt Gelnhausen verbindet diese jungen Männer. Nur so wird Erinnerung konkret und ein Leben nicht vergessen.

Die Toten der Bundeswehr und der Volkstrauertag

Vor diesem Hintergrund möchte man meinen, dass es leichter fällt, an die Toten der Bundeswehr zu erinnern. Doch hier sind die Hürden andere. Die Auslandseinsätze sind im wahrsten Sinne des Wortes weit weg. Und die zahllosen Toten, die seit der Gründung der Bundeswehr in Ausübung ihres Dienstes gestorben sind, vergessen. Selbst in der Bundeswehr.

Ich bin 1974 geboren. Allein in diesem Jahr zählte die Bundeswehr 64 Tote. Mehr Tote in einem Jahr als in 20 Jahren Afghanistan! 59 Soldaten sind am Hindukusch gefallen oder verloren ihr Leben. Wer einmal nachschauen will, wie viele Tote die Bundeswehr im Jahr der eigenen Geburt zu beklagen hatte, der kann das auf der Webseite der Bundeswehr tun.

Nicht nur in Deutschland, sondern auch in Polen und anderenorts haben tote deutsche Soldaten der Weltkriege in ihren Gräbern ein ewiges Ruherecht. Niemand stellt das in Frage. Doch bis heute kümmert sich nicht der deutsche Staat um diese Gräber, sondern ein Verein. Der Volksbund Deutscher Kriegsgräberfürsorge. Die Zuschüsse des Bundes sind gering. Das führt dazu, dass auf einem Grabkreuz vier Namen angebracht werden. Man überlegt jetzt, Namenstafeln aufzustellen. Unsere amerikanischen Verbündeten haben dafür kein Verständnis. Jeder Tote hat sein eigenes Kreuz verdient. Man erkennt den Wert einer Gesellschaft wie sie mit ihren Toten und mit ihren Kindern umgeht sagt man. Was sagst das über unsere Gesellschaft aus?

Die Frage stellt sich umso schärfer, wenn wir sehen wie das heutige Deutschland mit dem Erinnern an diejenigen umgeht, die heute für Deutschland gefallen und gestorben sind.

Auch die im Einsatz gefallenen Soldaten der Bundeswehr sollten ein ewiges Ruherecht bekommen, unabhängig der Frage, ob es sich um ein Ehrengrab der Bundeswehr handelt. Dass die Bundeswehr neben dem Ehrenmal mit dem Wald der Erinnerung hier eine würdevolle Form des Gedenkens gefunden hat, tut dieser Forderung keinen Abbruch. Vielleicht könnte man sogar durch einen einheitlich gestalteten Grabstein für diese Männer und Frauen das öffentliche Bewusstsein stärken, dass hier jemand ruht, der für uns und unsere Freiheit sein Leben gab. Unsere Demokratie hat hier definitiv Nachholbedarf, so sympathisch es manchmal seien mag, dass ihr Pathos abhold ist.

Eine lebendige Gedenkkultur hat etwas mit Kriegsbereitschaft zu tun

Die Toten mahnen zum Frieden. Sie mahnen aber auch, dass die Freiheit und der Frieden geschützt und im Zweifel verteidigt werden müssen. Wir erleben das gerade wieder im Osten Europas. Der Krieg bleibt eine Realität der Menschheitsgeschichte. Und es gibt keinen Frieden ohne Freiheit.

Nach der Zeitenwende hat nun der Verteidigungsminister daran erinnert, dass die immensen Ausgaben, die unser Volk für die Bundeswehr tätigt, wenig sinnvoll sind, wenn das nicht dazu führt, dass man einsatz- bereite Streitkräfte auf dem Hof hat. Er sprach von Kriegsbereitschaft. In der öffentlichen Debatte wird dabei oft auf die materielle Einsatzbereitschaft fokussiert. In der Militärsoziologie ist aber unbestritten, dass zu der Frage, warum und ob Soldatinnen und Soldaten den Kampf annehmen und bereit sind, das eigene Leben zur Erfüllung des Auftrags einzusetzen, andere Faktoren mindestens genauso wichtig sind, wie die Qualität der Ausrüstung. Und ein Faktor ist die Frage, wie die Gesellschaft den Einsatz der Männer und Frauen wertschätzt – auch im Falle des Todes. Neben der Versorgung von Angehörigen ist die Gedenkkultur ein wichtiger Punkt. Sich darüber Gedanken zu machen, wie man an die Toten der Bundeswehr erinnert, hat also unmittelbar etwas mit der Einsatzbereitschaft der Armee zu tun.

Die Bundeswehr macht es richtig

Franz Josef Jung als Verteidigungsminister hat sich damals über die üblichen Bedenkenträger in Politik und Administration hinweggesetzt. Heute ist das Ehrenmal der Bundeswehr am Bundesministerium der Verteidigung ein würdiger Ort, um der mehr als 3400 Toten zu gedenken, die in Ausübung ihres Dienstes gestorben und gefallen sind.

Eine Unterscheidung zwischen Tod im Auslandseinsatz oder auf dem Truppenübungsplatz findet nicht statt. Das ist richtig. Der Mutter oder dem Bruder mag es nicht gleich sein, unter welchen Umständen ein geliebter Mensch nun fehlt. Das Ergebnis ist aber gleich: Ein Leben endete, wurde genommen. Ein Mensch wird schmerzlich vermisst. Und es ist unsere Aufgabe, an diejenigen zu erinnern, die bereit waren, ihr Leben einzusetzen, um unsere Freiheit und den Frieden zu verteidigen.

Neben diesem Ort, der eine Manifestation des Gedenkens an die Toten der Bundeswehr ist, haben sich weitere Formen einer modernen Gedenkkultur etabliert. Das Heer erinnert in sozialen Netzwerken jeweils am Todestag an die im Auslandseinsatz gefallenen Männer.

Der Reservistenverband organisiert jährlich den Marsch zum Gedenken. Bei diesem Marsch werden so viele Kilometer marschiert, wie Soldaten der Bundeswehr im Auslandseinsatz gefallen und gestorben sind. Die Marschierenden tragen die Namensbänder der Toten anstatt des eigenen Namens an ihrer Uniform. Der Marsch endet am erwähnten Ehrenmal der Bundeswehr. Dort treffen die Soldatinnen und Soldaten auf Hinterbliebene, es findet eine Kranzniederlegung am Ehrenmal statt.

Die Zahl der Männer und Frauen, die mitmarschieren wollen, steigt jedes Jahr. Immer mehr Medien berichten von diesem Ereignis und vor allem in den sozialen Netzwerken findet man eine Flut an Bildern, Berichten, Eindrücken. Eine gute Sache. Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass in den Anfängen der Marsch zum Gedenken mit ähnlichen Bedenken aus der Militäradministration kämpfen musste wie damals Franz Josef Jung. Doch diese sind überwunden. Die Veranstaltung ist inzwischen Tradition. Die Veteranen der Bundeswehr beobachten sehr aufmerksam, wie mit ihren toten Kameraden umgegangen wird. Insofern ist es schade, dass in der Debatte um einen Veteranentag die Politik wieder so zögerlich war. Von diesem Veteranentag können auch Impulse für eine lebendige Gedenkkultur in der Zivilgesellschaft ausgehen.

Wichtig ist: Der Staat wird es nicht verordnen können, dass wir in unserem Land der Toten gedenken. Das bleibt unsere Aufgabe als Bürgerinnen und Bürger.

Es ist eine gemeinsame Aufgabe

Das Erinnern an die Toten, an die Opfer von Krieg und Gewalt ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Wir leben zwar in einer arbeitsteiligen Welt, aber wer glaubt, dass man die Gedenkkultur outsourcen kann und an den Volksbund Deutscher Kriegsgräberfürsorge delegieren sollte, der hat nicht verstanden, dass er damit auch die Chance verpasst, über Gräber hinweg Zusammenhalt zu stiften. Und ein Bewusstsein zu stärken, wie wertvoll Frieden ist.

Wir haben heute die Aufgabe der toten deutschen Soldaten zu gedenken. Von den Freiheitskriegen gegen Napoleon über die Weltkriege bis zum Einsatz in Afghanistan. Sie mögen in Frieden ruhen.

Begrüßung durch den Kommandeur Panzertruppenschule

Im Namen aller Soldaten und zivilen Mitarbeiter der Panzertruppenschule begrüße ich Sie sehr herzlich zu der traditionellen Gedenkfeier am Volkstrauertagwochenende in Munster am Ehrenmal zum Totengedenken. Wir danken Ihnen, den Vertretern aus Politik und Gesellschaft, den jungen Schülern aus Munsteraner Schulen sowie den uns verbundenen aktiven und ehemaligen Soldaten für die Gemeinsamkeit des Gedenkens.

Der Bund Deutsche Kriegsgräberfürsorge stellt das diesjährige Gedenken vor dem Hintergrund der unaufhaltsam voranschreitenden Zeit unter das Motto „Das Gedenken an die nächste Generation weitergeben“. Eine Generation umfasst rund 25 Jahre. Erinnern und Gedenken gegen das Vergessen ist in doppelter Hinsicht unsere Pflicht.

1914, vor 110 Jahren begann der Erste Weltkrieg, ein in diesem Ausmaß nie dagewesener Krieg mit über 17 Millionen Toten, davon etwa 10 Millionen Soldaten aller Nationen, gekennzeichnet durch Stellungs- und Abnutzungskrieg, Dauerfeuer der Artillerie und Einsatz von Giftgas. Für die Sowjetunion, respektive Russland ist es bis heute der große Krieg.

Vor 90 Jahren, 1934, ernannte sich Hitler nach Übernahme des Amts des Reichspräsidenten zum Führer und Reichskanzler. Die Einhegung der Nazis durch gemäßigtere Kräfte war gescheitert. Die Gleichschaltung von Staat und Gesellschaft nahm ihren Lauf, die Institutionen der Weimarer Republik wurden unterwandert, delegitimiert und instrumentalisiert. Vier Jahre später war die Reichsprogromnacht der grausame Auftakt zum Völkermord an der jüdischen Bevölkerung, fünf Jahre später begann der Zweite Weltkrieg – die Nationalsozialisten: unterschätzt, vernichtend nach Außen und Innen.

Zehn furchtbare Jahre später landeten die Alliierten in der Normandie und der militärische Widerstand gipfelte am 20. Juli 1944 im Attentat auf Hitler. Das Ende des tausendjährigen Reichs bahnte sich an, aber noch viele Menschen, Soldaten an allen Fronten, würden über das Kriegsende hinaus sterben. Am Ende waren es mehr als 60 Millionen Menschen.

Vor 75 Jahren gaben wir Deutschen uns die bisher beste und stabilste Verfassung unserer Geschichte, gleichbedeutend mit einer Phase von Frieden und Prosperität, aber auch einer Teilung in Ost und West. Über 600 Menschen starben durch Staatsterror an der innerdeutschen Grenze. Friedlich wurde die Teilung durch freiheitsliebende Menschen der DDR überwunden und wer unter 35 Lebensjahre zählt, mehr als eine Generationsspanne, ist im geeinten Deutschland aufgewachsen.

Die Hoffnung auf ein Zeitalter einer globalen Friedensordnung nach Ende des Kalten Krieges hat sich nicht erfüllt. Staatenzerfall, Stellvertreterkriege und das Aufbrechen regionaler Konflikte, Nationalismus und internationaler Terrorismus griffen um sich. 1994, vor 30 Jahren, erklärt das Bundesverfassungsgericht die Teilnahme der Bundeswehr an UNO-Kampfeinsätzen auch außerhalb des NATO-Gebietes unter Parlamentsvorbehalt für zulässig. Die folgenden Einsätze der Bundeswehr fordern Tote und Gefallene, der internationale Terror reißt unvorhersehbar und willkürlich unbeteiligte Menschen in den Tod.

All das prägte die älteren und alten Generationen. Die Kriege, wie die in der Ukraine und im Nahen Osten sowie das Herstellen der Einsatzbereitschaft an der Ostgrenze der Allianz prägen die jungen Generationen. Gemeinsam sind wir uns bewusst, welches Opfer die Menschen der Ukraine für sich und uns leisten. Unsere Unterstützung und guten Wünsche begleiten sie – Slawa Ukraini!

Wir stellen uns dem sich abzeichnenden Wandel der Gedenkkultur unter Einbeziehung des Führungsnachwuchses sowie von Schülerinnen und Schülern, wir geben das Gedenken an die nächste Generation weiter. Nun spricht die nächste Generation zu Ihnen.

Rede Oberleutnant Rußmann

Wir haben uns heute hier zusammengefunden, um all jener zu gedenken, die ihr Leben durch Krieg und Gewaltherrschaft verloren haben und weiterhin verlieren. Der Volkstrauertag ist nicht nur ein Tag des Erinnerns, sondern auch ein Tag der Reflektion und der Mahnung. Es ist ein Tag, an dem wir uns das Grauen und den Preis des Krieges in Erinnerung rufen und den gezahlten Blutzoll betrauern.

Wir haben uns heute hier zusammengefunden, um all jener zu gedenken, die ihr Leben einem höheren Gut geopfert haben. „Für den Frieden kämpfen“ klingt paradox, und doch ist es unabdingbare Realität. Unsere Werte Freiheit, Recht und Demokratie existieren nicht in einem leeren Raum; sie werden von Anderen wertgeschätzt und geteilt, aber auch kritisiert und bestritten. Ein gewisses Maß an Unterschiedlichkeit ist dabei normal und es liegt in der Verantwortung der Politiker Unterschiede im nationalen und internationalen Kontext zu navigieren. Doch die Schatten des Krieges sind lang, ihnen zu entkommen ist nicht immer möglich. Dort wo die Klauen der Gewalt unsere Werte in ihrem Fundament bedrohen, dort müssen sie verteidigt werden. Wo Worte nicht ausreichen, da müssen Taten folgen. Und genau für diese mutigen Taten danken wir unseren Gefallenen und ihren Familien. Das eigene Leben einem höheren Gut unterzuordnen ist nicht selbstverständlich. Die eigene Familie zerbrechen sehen, weil ein Familienmitglied sich geopfert hat ist nicht selbstverständlich. An dieser Stelle möchte ich mein Beileid und meinen besonderen Dank den Angehörigen aussprechen, die die Entscheidung der Gefallenen mittragen. Sie hatten kein Mitspracherecht bei der Entscheidung der Gefallenen, ihr Leben zu geben. Dennoch sind es nun Sie, die mit den Konsequenzen ihrer Abwesenheit leben müssen. Diese schwere Bürde kann Ihnen niemand abnehmen; was von den Gefallenen aber bleibt, ist ihr Andenken.

Wir haben uns heute hier zusammengefunden, um jener zu gedenken, die ihr Leben an sinnlose Gewalt verloren haben. Krieg ist das Versagen der Vernunft, eine grausame Verzehrung der Menschlichkeit, die es mit allen Mitteln zu verhindern gilt. Werte müssen verteidigt werden, doch diese Verteidigung darf niemals zu einem Angriff auf Werte anderer werden. Nach 70 Jahren Frieden in Europa ist der Krieg zu uns zurückgekehrt. Am heutigen Volkstrauertag darf sich unser Blick daher nicht nur in die Vergangenheit richten, sondern muss auch die Gegenwart und die Zukunft mit umfassen. Wir gedenken heute nicht nur den Gefallenen, sondern auch den Fallenden, die Tag für Tag ihr Leben geben, um ihr Land vor der russischen Invasion zu verteidigen. Die sich selbst in die Waagschale legen, in einem verzweifelten Versuch, das Gleichgewicht des Friedens wiederherzustellen. Die nicht kämpfen, weil sie kämpfen wollen, sondern weil sie kämpfen müssen. Es ist nicht mutig, keine Angst zu haben; es ist mutig, Angst zu haben und sie zu überwinden. Die Opfer jener mutigen Kämpfenden müssen uns ein Mahnmal sein.

Wir haben uns heute hier zusammengefunden, um jener zu gedenken, die zur falschen Zeit am falschen Ort waren. Die Unantastbarkeit der Menschenwürde ist Grundlage unserer Verfassung, und doch ist die Menschenwürde etwas, was im Krieg allzu schnell verloren geht. Brutale Gewalt trifft Soldaten und Zivilisten gleichermaßen. Hunger tötet Erwachsene und Kinder gleichermaßen.

Gevatter Tod ist und bleibt der Große Gleichmacher des Krieges. Doch so gleich wir einander im Tod auch sein mögen, so stark unterscheiden sich doch unsere Leben. Es ist die Aufgabe all jener in Uniform, sich schützend vor jene zu stellen, die sich nicht selbst verteidigen können. Beim Gelöbnis und dem Ablegen des Eides der Bundeswehr geloben wir Soldaten treu zu Dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen. Wir versprechen unser Leben als Gewicht, mit dem die Waagschale des Friedens ins Gleichgewicht gebracht werden kann; 3.421 Leben liegen bereits in dieser Waagschale. Doch unsere Leben sind dabei nur das letzte, verfügbare Mittel. Die Stellschrauben des Friedens werden schon viel früher gedreht. Die Verteidigung von Frieden und Freiheit sind eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Es ist nicht die Waffe in der Hand des Soldaten, die für Stabilität sorgt, sondern das Wort im Mund jedes Einzelnen von uns.

Frieden ist ein Zustand, zu dem jede einzelne Person einen Beitrag leisten kann. Frieden ist politisches Streben nach Diplomatie. Frieden ist die Wahrung eigener Werte, ohne Werte anderer anzugreifen. Frieden ist Streben nach Wohlstand, statt nach Territorium. Frieden ist Zusammenarbeit.

Frieden ist Ruhe. Deshalb gedenken wir unseren Gefallenen mit Schweigen.

Der Volkstrauertag ist ein Tag des stillen Gedenkens. Die Abwesenheit von Worten für die Gräueltaten der Vergangenheit schafft Raum für Taten, um ihr zukünftiges Ausbleiben zu garantieren. Frieden darf genossen werden und es ist nur menschlich, sich zurückzulehnen und das Schweigen von Waffen zu wertschätzen. Doch darf aus dieser Ruhe keine Lethargie werden. Unser Wille, den Frieden zu erhalten muss unerschütterlich bleiben und wir dürfen nicht vergessen, dass Frieden aktiver Verteidigung bedarf. Das Mindeste, was wir dabei tun können, ist Solidarität mit jenen zeigen, die jetzt in diesem Moment aktiv für ihre Freiheit kämpfen und durch ihre entschlossenen Taten eine unmissverständliche Botschaft gegen Tyrannei und Unrecht senden.

Ich selbst bin Uniformträgerin und habe geschworen mein Leben einzusetzen, um den Frieden unseres Landes und seiner Verbündeten zu verteidigen. In meinem Handwerk gibt es einen wichtigen Grundsatz: Wer steht, stirbt. Es geht darum uns Soldaten daran zu erinnern, in Bewegung zu bleiben. Uns nicht zu verstecken. Nicht in eine Schockstarre zu verfallen. Nicht zu lange am selben Ort zu verweilen.

Aber ich finde dieser Grundsatz lässt sich auch auf uns als Gesellschaft anwenden. Wir dürfen nicht stillstehen, nicht gleichbleiben. Wer Veränderung will, muss auch sich selbst verändern. Der Volkstrauertag muss uns eine jährliche Mahnung sein, nicht lethargisch zu werden. Wir müssen die Opfer der Vergangenheit wertschätzen, der Opfer der Gegenwart gedenken und die Opfer der Zukunft verhindern. Jeder Gefallene muss für uns ein Appell sein, geschlossen zu handeln und uns für den Frieden einzusetzen. Den Verstorbenen können wir nichts mehr geben, außer unser Andenken an sie. Aber die Zukunft jener die noch leben, ist unbestimmt. Krieg ist zwar eine ständige Bedrohung, aber keine Gewissheit.

Wir Menschen neigen dazu, uns zu fragen „was wäre, wenn…?“. Dann liegen wir abends wach, können nicht einschlafen und denken über unzählige mögliche Realitäten der Zukunft nach. Rumination, nennt sich dieser Prozess in der Psychologie. Rumination ist denken, ohne zu handeln. Rumination ist theoretisch und ungreifbar. Was wir brauchen, sind nicht nur Gedanken, sondern auch Taten. Wir als Gesellschaft müssen unser Handeln am Frieden orientieren, damit es in Zukunft keine Notwendigkeit für Heldentaten mehr gibt. Damit tapere Frauen und Männer zu ihren Familien zurückkehren können, statt auf Friedhöfen betrauert zu werden. In unseren kreisenden Gedanken dürfen wir unser Ziel nie aus den Augen verlieren. Wir dürfen den Preis, den unsere Gefallenen bezahlt haben, niemals vergessen und unser Möglichstes tun, diesen Preis nicht noch einmal einfordern zu müssen.

Rede Leutnant (NDL) Oosterkamp

Vor zwei Wochen wurde in den Niederlanden eine Gedenkstätte eröffnet um der fast 25000 niederländischen, alliierten und deutschen Flieger, die über der Nordsee während des zweiten Weltkrieges ihr Leben gelassen haben, zu gedenken.

Es ist bis jetzt eine der wenigen Gedenkstätten, die auch an die deutschen Opfer erinnert. 80 Jahre später ist es an der Zeit zusammen an diese und alle anderen Opfer des zweiten Weltkrieges zu erinnern. Deswegen ist es mir eine besondere Ehre als Niederländer heute vor meinen deutschen Kameradinnen und Kameraden zu stehen und einige Worte an Sie zu richten.

Wir gedenken heute der Folgen des Krieges, um unsere Bemühungen für den Frieden nicht zu vergessen. Einen Frieden, den ich einen Großteil meines Lebens als ganz normal empfunden habe. Er war immer da. Krieg begegnete einem nur im Computerspiel. Oder er war etwas, was nur in fernen Ländern passiert. Einfach etwas Unfassbares und Fremdes. Meine Generation hat den Jugoslawienkrieg, den vorletzten Krieg in Europa, nicht erlebt. Unsere Erfahrungswelt ist die nach der deutschen Einheit. Wir waren während des Mauerfalls noch nicht geboren beziehungsweise noch zu klein. Der Kalte Krieg, der Vietnamkrieg und die Kubakrise waren bereits Geschichte. Und auch die beiden Weltkriege kennen wir nur aus Büchern, Museen und Erzählungen unserer Vorfahren.

Natürlich gab es auch zu meinen Lebzeiten Kriege, doch diese waren immer weit entfernt. Und oft mit einem, wie es im Fernsehen schien, berechtigten Zweck. Die Invasion westlicher Koalitionen in Afghanistan und im Irak kamen mir als zehnjähriger Junge wie eine Lösung vor. Obwohl mir das genaue Problem unbekannt war. Es schien etwas Richtiges zu sein, was sich später als völlig falsch herausstellte. Die hochgeschätzten Kameraden aus dem Irak, die ich in der Bundeswehr kennengelernt habe, werden dies bestätigen können.

Krieg war für mich und meine europäischen Zeitgenossen immer ein vages Konzept. Etwas aus dem Fernsehen, etwas weit weg, etwas, das anderen passiert. Nicht hier. Vielleicht ist es deshalb logisch, dass der Frieden, der in Europa so hart erkämpft und für welchen in den letzten Jahrzehnten so hart gearbeitet wurde, für meine Generation zur Selbstverständlichkeit geworden ist.

Die Dienstbereitschaft ist in unserer Generation geringer als in den Generationen vor uns. Ich empfinde das nicht grundsätzlich als etwas Schlechtes. Meiner Meinung nach ist es eine logische Konsequenz aus dem Zustand jahrelangen Friedens. Warum sollten junge Menschen ein Jahr Ihres Lebens oder länger für etwas opfern, was sie für selbstverständlich halten? Ich wünsche meiner Generation und den Generationen nach mir, dass sie sich weiterhin so entwickeln und weiterentwickeln können, wie sie es wollen. Ich möchte nicht, dass sie alle ein Jahr eine Uniform tragen müssen. Deshalb bitte ich Sie, insbesondere die älteren Anwesenden, nicht zu hart über meine Generation und die jungen Menschen, die nach mir kommen werden, zu urteilen.

Es ist passiert, was wir nicht für möglich gehalten haben. Die Invasion der Ukraine durch ein autoritäres Regime hat den Krieg zurück nach Europa gebracht. Für mich war damit der Selbstverständlichkeit des Friedens ein Ende gesetzt. Es war für mich ein großer Schock. Untersuchungen zur Reaktion von Kindern in den Niederlanden auf den Krieg zeigen, dass ich damit nicht alleine bin. Im Jahr 2022 stellte sich heraus, dass mehr als 50 % der Jugendlichen im Alter zwischen 10 und 18 Jahren häufig an den Krieg in der Ukraine denken. 69 % sind darüber besorgt oder traurig. Die Kinder haben Angst, dass der Krieg auch die Niederlande erreichen könnte.

Der Einmarsch Russlands in die Ukraine hat den Kindern in ganz Europa die Gefahr eines Krieges beschert. Das macht mich wütend und traurig. Ich wünsche allen, die nach uns kommen, die unbeschwerte Jugend. Eine Jugend, die auch meine Generation hatte. So wie wir heute hier stehen, Freunde und Kollegen, multinational, Zivilisten und Soldaten, Männer, Frauen und alles dazwischen, haben wir alle den Auftrag den Zustand von Frieden und Sicherheit in Europa wiederherzustellen. Und nicht allein. Zusammen!

Es fühlt sich seltsam an, über die Bedrohung aus dem Osten zu sprechen. Es fühlt sich an wie ein Schritt zurück in die Zeit des Kalten Krieges. Glücklicherweise muss man, wenn man in den Niederlanden lebt, sehr weit schauen, um diese Bedrohung zu erkennen. Zuerst kommt Deutschland. Das Land, in dem ich den größten Teil meiner Militärkarriere verbracht habe. Das Land, das ich als unser Bruderland betrachte. Wir sind der kleine Bruder, Deutschland ist der große Bruder. In Bezug auf Mentalität, Kultur und auch Sprache gibt es nur wenige Länder auf der Welt, die sich so ähnlich sind. Wir werden diese Verbindung in Zukunft immer mehr brauchen.

Die Aufstellung des Deutsch-Niederländischen Korps und die Unterstellung aller niederländischen Brigaden in deutschen Divisionen waren für mich unvergessliche Meilensteine. Nachdem die Niederlande nun wieder eigene Panzer beschaffen will, hoffe ich, dass die enge Zusammenarbeit in diesem Bereich fortgesetzt wird. Die Niederlande und die niederländische Armee können die Bedrohungen in der Welt nicht allein bewältigen. Da sind wir ehrlich. Auch Deutschland, das in allem etwa sechsmal so groß ist, kann es nicht alleine.

Im Rahmen der NATO und der Europäischen Union sehe ich die Aufgabe, dass Deutschland und die Niederlande eine Vorreiterrolle übernehmen. Durch unsere enge Zusammenarbeit müssen wir ein Vorbild für andere sein. Die Zusammenarbeit zwischen unseren Ländern war nämlich nicht immer selbstverständlich. Meine Großeltern Hanny und Gerard wuchsen während der Besatzungszeit als junge Erwachsene in Amsterdam auf. Der letzte Winter 1944/1945, der Hungerwinter, war besonders hart. Gerard, ein Veteran des indonesischen Unabhängigkeitskrieges, begann mit zunehmendem Alter mehr und mehr über den Krieg zu sprechen. Bis zu seinem Tod sprach er stets von „De Moffen“ (ähnlich wie „die Krauts“), einem Schimpfwort für Deutsche. Er mochte sie nicht. Zwei Generationen später sitze ich stolz mit meinen deutschen Kameraden an Bord eines Kampfpanzers Leopard 2 und kann mich heute an Sie wenden. Damit meine ich: Es ist möglich! Wir können aus der Vergangenheit lernen. Wir können lernen, einander wieder zu vertrauen. Wir können wieder zusammenarbeiten. Und wenn wir es können, können es andere auch.

Wir gedenken heute der Folgen des Krieges, um unsere Bemühungen für den Frieden nicht zu vergessen.

Kommandeur Panzertruppenschule

Wir Soldaten stehen für die Ideale unserer freiheitlich demokratischen Rechtsordnung, für die unveräußerlichen Menschenrechte. Dafür bilden wir aus, dafür üben wir und erreichen bestmöglich die Einsatzbereitschaft, um abzuschrecken und im äußersten Falle Krieg zu führen. Das haben wir geschworen: Treu und tapfer zu verteidigen.

Als Soldat im Feld mit allen notwendigen Mitteln gegen Angreifer und unter Inkaufnahme des eigenen Opfers oder das des Kameraden.

Als Staatsbürger in Uniform mit Haltung, Beispiel und klarer Kante gegen alle Versuche von Populisten, Extremisten und Terroristen unsere freiheitliche Ordnung zu zersetzen.

Für beide Aufgaben müssen wir gerüstet und wehrhaft sein, den unschuldigen Opfern und den Opfern für die gerechte Sache müssen und wollen wir ein ehrendes Gedenken wahren.

Nachfolgende Generationen dürfen nicht vergessen und sollen aus der Geschichte lernen.

Totengedenken

Wir denken heute an die Opfer von Gewalt und Krieg, an Kinder, Frauen und Männer aller Völker. Wir gedenken der Soldaten, die in den Weltkriegen starben, der Menschen, die durch Kriegshandlungen oder danach in Gefangenschaft, als Vertriebene und Flüchtlinge ihr Leben verloren.

Wir gedenken derer, die verfolgt und getötet wurden, weil sie einem anderen Volk angehörten, einer anderen Rasse zugerechnet wurden, Teil einer Minderheit waren oder deren Leben wegen einer Krankheit oder Behinderung als lebensunwert bezeichnet wurde.

Wir gedenken derer, die ums Leben kamen, weil sie Widerstand gegen Gewaltherrschaft geleistet haben, und derer, die den Tod fanden, weil sie an ihrer Überzeugung oder an ihrem Glauben festhielten. Wir trauern um die Opfer der Kriege und Bürgerkriege unserer Tage, um die Opfer von Terrorismus und politischer Verfolgung, um die Bundeswehrsoldaten und anderen Einsatzkräfte, die im Auslandseinsatz ihr Leben verloren.

Wir gedenken heute auch derer, die bei uns durch Hass und Gewalt Opfer geworden sind. Wir gedenken der Opfer von Terrorismus und Extremismus, Antisemitismus und Rassismus in unserem Land.

Wir trauern mit allen, die Leid tragen um die Toten, und teilen ihren Schmerz. Aber unser Leben steht im Zeichen der Hoffnung auf Versöhnung unter den Menschen und Völkern, und unsere Verantwortung gilt dem Frieden unter den Menschen zu Hause und in der ganzen Welt.

Über Uns

Am 18.März 1996 gründete eine Gruppe ehemaliger und aktiver Offiziere der Panzergrenadiertruppe den Freundeskreis.

Zielsetzung ist es, den Zusammenhalt und die Kameradschaft über alle Dienstgradgruppen und Generationen hinweg zu fördern und über die Entwicklung der Truppengattung zu informieren.

Kontakt

Freundeskreis der Panzergrenadiertruppe e. V.
Geschäftsstelle
Postfach 1151
29633 Munster

Öffnungszeiten: Montag und Mittwoch 09:00 Uhr bis 14:00 Uhr

+49 (0) 5192 / 98 62 81

+49 (0) 5192 / 98 62 80

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